16. Juni 2021 Lesezeit: 7 Min.

Hypnose bei Allergien und Histamin-vermittelten Symptomen

Hypnose bei Allergien und Histamin-vermittelten Symptomen
Hypnose bei allergischen Erkrankungen

Ein Zusammenspiel von Psyche und vor allem atopischen Erkrankungen oder allergischen Erkrankungen wird oftmals vermutet. Die Disziplin der Psychoneuroimmunologie greift dies auf und zeigt, wie eine Veränderung der Stresshormonausschüttung oder Schmerz in das Immunsystem eingreifen. Daraus kann ein ungünstiger Kreislauf entstehen, da wiederum die durch  Stress und Immundysregulation entstandenen entzündlichen Botenstoffe negativ das Gefühlsleben beeinflussen können.1

Hypnose zeigte in kleineren Untersuchungen einen positiven Effekt bei nachfolgenden Symptomen und Erkrankungen

  • Heuschnupfen
  • Neurodermitis / atopische Dermatitis
  • Urtikaria
  • Juckreiz

Auch die Psoriasis, die zu den Autoimmunerkrankungen zählt, konnte in Untersuchungen positiv durch Hypnotherapie beeinflusst werden, weswegen sie im Detail im Artikel zur Hypnose bei Autoimmunerkrankungen besprochen wird.

Mitnichten möchte dieser Artikelatopische, allergische oder mastzellvermittelte Erkrankungenals psychosomatische Erkrankungen darstellen, die man „weghypnotisieren“ kann. Gleichwohl sollen aber biologische Zusammenhänge aufgezeigt werden und Untersuchungen zusammengetragen werden, bei denen die Hypnotherapie einen positiven Effekt auf die Allergiesymptomatik oder den Krankheitsverlauf hatte.

Hypnose bei Heuschnupfen und Allergien

In einer Untersuchung mit 66 Heuschnupfen-Patienten, von denen die Hälfte Selbsthypnoseverfahren im ersten Jahr lernte und die andere Hälfte als Kontrollgruppe diente, zeigte sich eine signifikante Verbesserung der allergischen Symptome.2

Die Kontrollgruppe, die bisher noch keine Hypnosetherapie erfahren hatte, wurde im zweiten Jahr eingeladen, ebenfalls Selbsthypnosetechniken zu erlernen: Dies führte auch in dieser Gruppe zu einer Linderung der Symptome.

Ebenfalls verbesserte sich die Nasenatmung unter Selbsthypnose, wobei der Effekt nicht immer statistisches Signifikanzniveau erreichte. Die größte Verbesserung sahen die Forscher, wenn Patienten sich selbst hypnotisierten, nachdem sie Gräserpollen im Rahmen eines Provokationstests ausgesetzt wurden. Die Nase blieb bei manchen Probanden deutlich freier unter Selbsthypnose als ohne.

In Selbsthypnose waren also manche der Teilnehmer fähig, ihre Immunreaktion zu verändern oder zu beeinflussen. Die Hypnose- und Trancefähigkeit spielte laut Autoren für diese Untersuchung keine Rolle.2

freedom

Reduzierte Histaminquaddeln unter Hypnose

Eine weitere interessante Untersuchung wurde mit 10 gut hypnotisierbaren Personen durchgeführt, bei denen man die Hautreaktion auf einen Histamin-Pricktest unter Schmerzreizen und Hypnose untersuchte.3

Bei einem Pricktest werden normalerweise Allergene in die oberste Hautschicht eingebracht. Histamin gilt dabei als Kontrollfeld, da man auf dieses Gewebshormon in der Regel eine Reaktion in Form einer Quaddel bzw. Rötung erwartet.

In dem Untersuchungsaufbau sollten insbesondere die Zusammenhänge zwischen Schmerz- und Stressreizen und Entzündungsprozessen herausgearbeitet werden und ob diese sich durch Hypnose beeinflussen lassen. Schmerzreize wurden mittels eines Lasers gesetzt.

Die Histaminquaddel unter hypnotischer Analgesie, also Schmerzstillung durch Hypnose, war deutlich kleiner als ohne Hypnose.  In dieser Untersuchung zeigte sich auch, dass Schmerz-/ Stressreize bei den Entzündungsprozessen der Haut eine Rolle zu spielen scheinen.3

Unterschiedliche Hautreaktionen auf Histamin unter Gefühlen wie Wut, Trauer und Freude

Ebenso wurde in einem weiteren Experiment untersucht, wie sich in Hypnose hervorgerufene Gefühle auf die Reaktionen der Haut beim Histamin-Pricktest auswirken. Dabei zeigte sich, dass die Reaktion auf Histamin unter der Suggestion von Freude schon nach zwei Minuten die größte Ausdehnung erreicht hatte, aber unter Trauer vier Minuten bis zum Höhepunkt benötigte. Auch Ärger war mit einer längeren und größeren Hautreaktion als Freude verbunden.4

Stress beeinflusst allergische Erkrankungen

Gerade Personen mit Allergien und Mastzellerkrankungen machen oftmals auch die persönliche Erfahrung, dass starke Wut oder Trauer den Krankheitsprozess ungünstig beeinflussen. Diese Untersuchungen bestätigen Interaktionen zwischen Nervensystem und Immunsystem.

So kommt es bei Spannungszuständen zu einer Aktivierung des sympathischen Nervensystems, was auch als „Kampf und Flucht“-Zustand bezeichnet wird. Stressreize führen ebenfalls dazu, dass mehr Stresshormone, unter anderem Cortisol, ausgeschüttet wird, weil unsere zentrale Schaltstelle für Hormonregulation – Hypothalamus mit Hypophyse – die Nebenniere dazu anregen.

Nerven- und Hormonsystem interagieren miteinander und es kommt zudem zu einer Freisetzung von unterschiedlichen Nervenwachstumsfaktoren, die bspw. Entzündungen verstärken können. Generell kommt es dadurch zu einer Verschiebung des Immunsystems Richtung einer tendenziell allergischen Immunantwort (TH2).

Auswirkungen von Stress auf das Immunsystem - Auslösung eines TH2 Shifts
Auswirkungen von Stress auf das Immunsystem

Personen mit einer starken Reaktion auf Histamin scheinen besonders gut hypnotisierbar

Neben der schon erwarteten Reaktion, dass Personen in einem fröhlichen Zustand weniger starke Hautreaktionen aufwiesen, fand sich hier noch eine andere Auffälligkeit: Besonders gut hypnotisierbare Probanden hatten stärkere Reaktionen auf Histamin im Vergleich zu Personen, die nicht so empfänglich für Hypnose waren.4

Warum ein solcher Zusammenhang bestehen könnte, ist allerdings noch unklar und neben Studien, die diesen Effekt gefunden haben, gab es auch wieder solche, die diese Korrelation nicht nachweisen konnten.1,3,4

Häufungen von Genmutationen, die den Histaminabbau betreffen, konnten jedoch häufiger bei Menschen mit atopischen Erkrankungen, Asthma und Migräne nachgewiesen werden.5–8 Durch diese sogenannten Polymorphismen kommt es zu einer Beeinflussung des Histaminhaushalts, was sich eventuell auf die Psyche und die Hypnosefähigkeit auswirken könnte.

Hypnose und Nesselsucht (Urtikaria)

Die Nesselsucht ist eine Hauterkrankung, die sich durch Quaddelbildung und das Auftreten von Schwellungen, sogenannten Angioödemen, auszeichnet. Häufig spielt Histamin als einer der hauptsächlich auslösenden Botenstoffe eine große Rolle bei der Ausbildung der Symptome der Urtikaria.

Wenn Hypnose, wie schon in den oben genannten Experimenten, einen Einfluss auf die Reaktion der Haut unter Histaminreizung hat, dann ist es zumindest wahrscheinlich, dass Hypnotherapie bei einem Teil der Patienten mit Nesselsucht auch hilfreich sein könnte. In der Tat gibt es eine kleine Studie mit 15 Probanden, in der sich Hypnose als wirksam herausstellte. Besonders gut wirkte sie auf den Juckreiz.9,10

Hier zeigte sich im Gegensatz zur Heuschnupfen-Untersuchung aber ein Unterschied zwischen hypnotisierbaren und eher nicht hypnotisierbaren Personen, wobei beide Gruppen von der Intervention profitierten. Die Menschen, die für Hypnose etwas besser zugänglich waren, profitierten in diesem Setting etwas mehr.9

Einsatz von Hypnose beim atopischen Ekzem

Die atopische Dermatitis, auch atopisches Ekzem oder im Volksmund Neurodermitis genannt, ist eine häufige chronische Hauterkrankung, die oftmals mit stark juckender Haut einhergeht.

In einer erst 2020 publizierten Untersuchung zeigte sich, dass 26 von 27 Betroffenen mit atopischer Dermatitis von der Hypnotherapie profitierten. Die Symptomskala verringerte sich von 12 zu Beginn auf durchschnittlich 2,8 Punkte am letzten Termin.

Im Schnitt wurden sechs Hypnosebehandlungen mit jedem Patienten durchgeführt, wobei individuell die Spanne von 2 bis 16 Sitzungen reichte. Es gab jedoch keine Kontrollgruppe.11

Zusammenfassung

Hypnose scheint positive Auswirkungen auf allergische und atopische Erkrankungen zu haben. Wie groß der Effekt ist und bei wem Hypnotherapie besonders gut wirkt, ist schwierig zu sagen, da die Untersuchungen oftmals aus wenigen Teilnehmern bestanden und nicht immer mit einer Kontrollgruppe gearbeitet wurde.

Zudem hat man, wie bei fast allen chronischen Erkrankungen, das Problem, dass diese üblicherweise im Verlauf des Lebens schwanken und sich alleine deswegen Verbesserungen und Verschlechterungen ergeben können, die nichts mit der Intervention zu tun haben. Dies macht auch die Bewertung von Hypnotherapie bei Autoimmunerkrankungen manchmal schwierig.

Auch lässt sich nicht jede Person gleich gut hypnotisieren und bei Selbsthypnose kommt es stark darauf an, wie oft die Patienten das Verfahren anwenden und einüben. Dennoch halte ich die Hypnotherapie für ein spannendes und nebenwirkungsarmes Verfahren, das dem Betroffenen sogar die Möglichkeit gibt, bspw. im Rahmen einer Selbsthypnose, selbst gegen seine Erkrankung vorzugehen.

Meine persönliche Erfahrung mit Hypnose mit Histamin-vermittelten Problemen

Als Hypnotherapeutin und Betroffene mit wiederkehrenden allergischen Reaktionen und Angioödemen kann Selbsthypnose mir in Bezug auf die quälenden Symptome wie Juckreiz etwas Linderung verschaffen.

Derzeit experimentiere ich mit Hypnoseformen, die dem Patienten bzw. der Patientin suggerieren, welche körperlichen Vorgänge er/sie beeinflussen soll, um seine Symptome zu verbessern.

Inspiriert wurde ich durch eine Untersuchung an Kindern mit einem IgA-Mangel. Bei einem IgA-Mangel handelt es sich um einen vergleichsweise häufig vorkommenden Immundefekt. In dieser Untersuchung durften Kinder in Selbsthypnose mit Suggestionen ihrer Wahl versuchen, ihre IgA-Produktion zu erhöhen. Dies gelang allerdings nur der Gruppe, in der medizinisch korrekte, spezifische Suggestionen gegeben wurden. Hierbei stieg die Anzahl von IgA signifikant.12

Dementsprechend versuche ich in hypnotischen Interventionen mit den biochemischen Prozessen im Körper zu arbeiten, die reguliert werden sollten. Ich bin gespannt, wie dies sich individuell auswirkt und werde berichten. 😊

Quellen

1. Liezmann C, Klapp B, Peters EM. Stress, atopy and allergy: A re-evaluation from a psychoneuroimmunologic persepective. Dermatoendocrinol. 2011;3(1):37-40. doi:10.4161/derm.3.1.14618

2. Langewitz W, Izakovic J, Wyler J, Schindler C, Kiss A, Bircher AJ. Effect of self-hypnosis on hay fever symptoms - a randomised controlled intervention study. Psychother Psychosom. 2005;74(3):165-172. doi:10.1159/000084001

3. Zachariae R, Bjerring P. The effect of hypnotically induced analgesia on flare reaction of the cutaneous histamine prick test. Arch Dermatol Res. 1990;282(8):539-543. doi:10.1007/BF00371950

4. Zachariae R, Jørgensen MM, Egekvist H, Bjerring P. Skin reactions to histamine of healthy subjects after hypnotically induced emotions of sadness, anger, and happiness. Allergy. 2001;56(8):734-740. doi:10.1034/j.1398-9995.2001.056008734.x

5. Petersen J, Drasche A, Raithel M, Schwelberger HG. Analysis of genetic polymorphisms of enzymes involved in histamine metabolism. Inflamm res. 2003;52(1):s69-s70. doi:10.1007/s000110300059

6. Agúndez JAG, Ayuso P, Cornejo-García JA, et al. The Diamine Oxidase Gene Is Associated with Hypersensitivity Response to Non-Steroidal Anti-Inflammatory Drugs. PLoS One. 2012;7(11). doi:10.1371/journal.pone.0047571

7. García‐Martín E, Martínez C, Serrador M, et al. Diamine Oxidase rs10156191 and rs2052129 Variants Are Associated With the Risk for Migraine. Headache: The Journal of Head and Face Pain. 2015;55(2):276-286. doi:https://doi.org/10.1111/head.12493

8. Agúndez JAG, Luengo A, Herráez O, et al. Nonsynonymous polymorphisms of histamine-metabolising enzymes in patients with Parkinson’s disease. Neuromolecular Med. 2008;10(1):10-16. doi:10.1007/s12017-007-8017-7

9. Shertzer CL, Lookingbill DP. Effects of relaxation therapy and hypnotizability in chronic urticaria. Arch Dermatol. 1987;123(7):913-916.

10. Shenefelt PD. Mindfulness-Based Cognitive Hypnotherapy and Skin Disorders. American Journal of Clinical Hypnosis. 2018;61(1):34-44. doi:10.1080/00029157.2017.1419457

11. Delaitre L, Denis J, Maillard H. Hypnosis in Treatment of Atopic Dermatitis: A Clinical Study. International Journal of Clinical and Experimental Hypnosis. 2020;68(4):412-418. doi:10.1080/00207144.2020.1788391

12. Olness K, Culbert T, Uden D. Self-regulation of salivary immunoglobulin A by children. Pediatrics. 1989;83(1):66-71.

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